Ein Erfahrungsbericht
Dauer: Die Strafstation ist in Baden-Württemberg die zweite Station. Sie dauert 3,5 Monate an, davon finden in den ersten 2 Wochen der Einführungslehrgang statt.
Ablauf:
Noch während der Zivilstation wird eine Liste mit den Wunschzuteilungen für die Strafstation durchgegeben. Man kann zwischen Staatsanwaltschaft, Amts- und Landgericht wählen. In der Regel wollen ca. 90 % aller Referendare zur Staatsanwaltschaft. Die meisten werden auch dorthin eingeteilt –abhängig von den Kapazitäten. In unserem Fall war die Anfrage nach der StA höher als das Angebot, sodass einige stattdessen zu einem Amts- oder Landgericht (dem Zweitwunsch) eingeteilt wurden. So auch ich.
Trotz anfänglicher „Enttäuschung“, konnte ich letzten Endes für mich sagen, dass das Amtsgericht für mich die bessere Wahl war. Schnell habe ich die Vorteile zu schätzen gelernt. Nicht, dass es die bei der StA nicht geben würde (Bei einer Durchsuchung mitgehen etc.)! Allerdings bot sich bei mir die Nähe zum Amtsgericht an, sodass ich mir den Weg und die Zeit zur StA sparen konnte. Auch haben – bei uns zumindest – diejenigen, die einem Gericht zugewiesen waren, keinen oder kaum Sitzungsdienst gehabt.
Dafür hatten diejenigen, die bei der StA waren fast wöchentlich einen Tag Sitzungsdienst. Klar, man lernt auch dort sehr viel und sammelt wichtige Erfahrungen. Damit hängt aber auch Arbeit und Aufwand zusammen, sich entsprechend auf die Sitzungen vorzubereiten. Wie gesagt, beides hat seine Vor- und Nachteile und man sollte für sich selbst abwägen, was einem wichtiger ist.
Die AG lief wie gewohnt ein Mal in der Woche weiter. Probeklausuren wurden auch geschrieben. Bei uns gab es auch die Möglichkeit, die Klausuren der Parallel-AG mitzuschreiben, was einige wahrgenommen haben. Das kann ich empfehlen, wenn Zeit zum Klausuren schreiben da ist. Man sammelt auch hier Erfahrungen, übt sich im Klausurenschreiben und wiederholt prozessuales als auch materielles Recht.
Eine Besonderheit kam bei uns in BaWü noch hinzu: Wir haben einen 3-tägigen Plädierkurs. In den ersten beiden Terminen wurde alles Theoretische mit einer/einem Staatsanwältin/Staatsanwalt erörtert. Fragen wie: Was tun, wenn der Angeklagte nicht kommt? Was darf der Referendar im Sitzungsdienst / Was darf er nicht? Wann müssen die Akten zurückgegeben werden? Wie füllt man die Akten richtig aus? Uvm. wurden erörtert und durchgesprochen.
Die Termine fanden in einer kleinen Gruppe von insgesamt 3 Referendaren und Referendarinnen statt. Wir bekamen zu Beginn des Plädierkurses „unseren Fall“ für unser erstes Plädoyer. Am zweiten Tag haben wir die Fälle besprochen und durften das plädieren unter Aufsicht des/der leitenden StA/in üben. Am dritten Tag – der bei mir ca. 1 Woche später war – ging es zum Amtsgericht als Sitzungsvertreter/in der Staatsanwaltschaft. Unsere Staatsanwältin, die uns zwei Tage lang unterrichtet hatte, begleitete uns und gab uns im Anschluss, nachdem jeder von uns einmal plädiert hatte, ein umfassendes Feedback.
Die Station:
Die Station am Amtsgericht hat sich letztlich als sehr gute (Zweit-)Wahl entpuppt. Ich hatte wieder sehr großes Glück mit meiner Ausbilderin, die stets bemüht war, mir alle Abläufe zu erklären und mir Einblicke in den Berufsalltag zu geben. Einmal die Woche haben wir uns getroffen. Ich habe sie bei den Verhandlungen begleitet und anschließend eine Akte bekommen, zu der ich ein Urteil verfassen durfte. Das Abfassen eines strafrechtlichen Urteils unterscheidet sich doch immens von einem Zivilurteil, sodass die Einarbeitung etwas dauern kann. Wenn man den Dreh aber einmal raushat, fällt einem das relativ leicht. Das ist ein weiterer kleiner Vorteil, wenn man einem Gericht zugewiesen ist. Ein Strafurteil zu verfassen ist doch etwas anspruchsvoller als eine Anklageschrift und in den Akten befinden sich immer die dazugehörigen Anklageschriften oder Strafbefehle der StA, sodass man auch hier nicht zu kurz kommt und damit zwangsläufig konfrontiert wird.
Auch die Verhandlungen waren sehr spannend und teilweise kurios – was man allein aus dem Sachverhalt in der Akte nicht entnehmen konnte, sodass es definitiv nicht langweilig wurde. Insbesondere, weil meine Ausbilderin Einzel- und Jugendstrafrichterin war und daher viele Jugendstrafsachen bearbeitet hat, sodass ein breites Spektrum an materiellem Recht wiederholt wurde.
So sah meine Arbeit im Wesentlichen aus:
- Meine Ausbilderin auf Verhandlungen und Anhörungen begleiten (1x die Woche immer nach Absprache)
- Fälle besprechen (insbesondere haben wir viel über Beweiswürdigung geredet, da wir in einem Fall sogar eine Aussagepsychologin dabei hatten und ich einen vertieften Einblick in die Aussagepsychologie gewinnen konnte, was gerade im Hinblick auf das Examen sehr wertvoll war)
- Urteile schreiben (1x die Woche durfte ich ein Urteil zu einem aktuellen oder alten Fall schreiben, je nachdem, welcher examensrelevant war)
- Urteile besprechen (Feedback, Kritik, Lob, Verbesserungsvorschläge)
Meine Ausbilderin war sehr bemüht, sodass ich trotz kurzer Zeit in der Strafstation seeehr viel mitnehmen konnte!
Eigentlich wird die Strafstation als „spannendste“ Station wahrgenommen. Das liegt vor allem daran, dass während dieser Station der Trinkversuch, eine Leichenschau, eine Polizeifahrt im Streifenwagen uvm. angeboten werden. Dank Corona fiel das leider bei uns ins Wasser. Solltet ihr aber die Möglichkeit dazu haben, nimmt sie wahr! Laut ehemaligen bzw. „älteren“ Referendaren sollen das die ereignisreichsten Momente der Strafstation gewesen sein. Lasst sie euch nicht entgehen.
Highlight(s):
Mein Highlight fand im ersten Monat der Strafstation statt, als ich das erste Mal alleine vor dem Amtsgericht plädieren durfte. Ursprünglich hatte ich eine andere Anklage. Jedoch wurde das Verfahren kurzfristig abgeblasen, sodass ich – zum Glück – noch spontan einen anderen Fall übernehmen durfte. Vor Gericht lief alles glatt. Der Angeklagte war voll geständig, auf die Zeugenvernehmung wurde sogar verzichtet. Nach nicht einmal 10 Minuten Verhandlung durfte ich plädieren. Die Aufregung legt sich schnell, sobald man einmal in den „Flow“ kommt. Ich hatte mir einen Sitzungsrenner vorbereitet und nur noch paar Punkte ergänzt, die ich dann vortragen konnte. Es ist wirklich halb so schlimm und macht Spaß!
Der letzte Verhandlungstag meiner Station war mit der längste – ganze 6,5 Stunden Verhandlung! Dafür war es ein super spannender Fall und es wurde mir mal wieder vor Augen geführt, wie sehr die Anklageschrift von der Realität abweicht! Oft stellt sich vieles ganz anders dar, als man zunächst meint. Ein Blick hinter die Kulissen lohnt sich daher (fast) immer und zeigt nochmal, wie wichtig eine Hauptverhandlung – für Täter und Opfer gleichermaßen – sein kann. Solltet ihr nicht bei Gericht eingeteilt werden, euch aber trotzdem für Verhandlungen interessieren, könnt ihr trotzdem in das Land- oder Amtsgericht eurer Nähe gehen und euch einfach in öffentliche Hauptverhandlungen reinsetzen. Dies gilt selbstverständlich für Juristen als auch Nichtjuristen. Ich kann es nur empfehlen – gerade für diejenigen, die sich dafür interessieren, wie unser Rechtssystem eigentlich funktioniert.
Tipps:
- Nimmt mit, was ihr könnt
- Genießt die Freizeit, die ihr (noch) habt
- Ihr könnt euch vor der Station schon einmal mit der ZPO beschäftigen, ist aber absolut kein Muss
- Wiederholung des materiellen Rechts schadet nicht (die Wiederholung habt ihr aber teilweise auch bei dem Verfassen von Urteilen/Anklagen/Strafbefehlen, sodass das materielle Recht nicht zwingend zu kurz kommt – hängt natürlich auch vom Rechtsgebiet des Ausbilders ab)
- Traut euch, eine Beweisaufnahme durchzuführen oder eine Verhandlung zu leiten! Es macht Spaß und tut sich gut im Stationszeugnis, wenn ihr später in die Justiz wollt.
- Fragt nach, ob ihr mit einem Gerichtsvollzieher losziehen könnt.
- Scheut euch nicht davor, Fragen zu stellen!
- Habt Spaß und macht auch genug Pausen, der Stress kommt früh genug 😊
Wie waren eure Erfahrungen in der Strafstation? Lasst es mich gerne in den Kommentaren wissen.
Sandra
|Rechtsreferendarin|Autorin|Ernährungsberaterin|Sportlerin|Weltenbummlerin|Leseratte|Essensliebhaberin